Dienstag, 20. Januar 2015

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Präventionsstelle heißt "beRATen"

Hannover - 10. Dezember 2014. Die niedersächsische Präventionsstelle gegen neo-salafistische Radikalisierung wird "beRATen" heißen. Unter Federführung von Sozialministerin Cornelia Rundt und unter enger Beteiligung der islamischen Verbände DITIB und SCHURA sowie der Universität Osnabrück wurde der Trägerverein für diese Beratungsstelle heute im Gästehaus der Landesregierung gegründet.

„Die Präventionsstelle "beRATen" wird ein wichtiges Instrument sein, um Familien unter die Arme zu greifen, in denen junge Menschen unter dem Einfluss der menschenverachtenden Ideologie von Hasspredigern und Djihadisten stehen", erklärte Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt. Das Beratungsangebot werde sich in erster Linie an die Angehörigen junger Menschen richten, die in neo-salafistischen Extremismus und Gewalt abzudriften drohten. „Dass wir uns mit den islamischen Verbänden und weiteren Partnern auf den Aufbau dieses Präventionsangebots einigen konnten, ist ein großer Erfolg", betonte Rundt: „Statt wie zuvor die Muslime mit anlassunabhängigen Moscheekontrollen und Exremisten-Checklisten unter einen Generalverdacht zu stellen, setzen wir nun auf vertrauensvolle Kooperation. Die islamischen Verbände werden eng eingebunden in die Präventionsarbeit, die damit besser akzeptiert und wesentlich erfolgversprechender aufgestellt sein wird."

Der heutigen Trägervereinsgründung waren Verhandlungen vorausgegangen, an denen auch die Universität Osnabrück beteiligt war. Es bestand Einigkeit in der Einschätzung, dass die Präventionsstelle in freier Trägerschaft betrieben werden soll - eine weitere Abgrenzung von der vorherigen Ansiedlung der Präventionsarbeit beim Verfassungsschutz, die eventuelle Adressaten abgeschreckt hatte. „Für die Universität Osnabrück ist es nicht zuletzt als Trägerin des Instituts für Islamische Theologie ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen, den interreligiösen Dialog zu fördern und für die Toleranz einzutreten", erläutert der Präsident der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Wolfgang Lücke: „Allein deshalb ist es für uns selbstverständlich, gegen neosalafistische Bewegungen vorzugehen und die neue Beratungsstelle zu unterstützen."

Die Kosten für die Geschäftsstelle sowie die drei Beraterinnen und Berater werden vom Land getragen. Das Angebot soll landesweit aufgestellt und durch aufsuchende Sozial- und Beratungsarbeit geprägt sein. Neben DITIB, SCHURA, der Uni Osnabrück und dem Land zählen der Landesjugendring Niedersachsen, der Niedersächsische Städtetag, Herr Marks vom Landespräventionsrat und Herr Dr. Marcus, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, zu den Gründungsmitgliedern.

„Keiner, der wegen der Radikalisierung eines Angehörigen beunruhigt ist, muss mehr Angst haben, dass er diesen an den Verfassungsschutz ausliefert", sagte der DITIB-Vorsitzende Yilmaz Kiliç: „Die neue Beratungsstelle wird von den islamischen Verbänden mit getragen und ist unabhängig - wir setzen auf Vertrauen und werden so tatsächlich helfen können." Der SCHURA-Vorsitzende Avni Altiner ergänzte: „Wir sind froh, dass das Thema nun beim Sozialministerium angesiedelt ist und endlich als gesellschaftliches Problem erkannt wurde, und auch als solches behandelt wird. Ebenfalls sind wir der Landesregierung dankbar für den respektvollen Umgang mit den muslimischen Bürgern in Niedersachsen, das zeigt das man hier auf Augenhöhe miteinander arbeitet. Die Vorgängerregierung hat viel Porzellan zerschlagen, das wir nun wieder aufkehren müssen. Es ist gut, dass die Präventionsarbeit jetzt beim Sozialministerium angesiedelt ist."

Die Präventionsstelle gegen neo-salafistische Radikalisierung wird Ratsuchenden Wege für die Abwendung von gewaltbezogener und extremistischer Ideologie und eine Reintegration in die Gesellschaft aufzeigen und dabei begleiten. Betroffene sowie insbesondere Familienangehörige, Freunde und Bekannte aus dem privaten, schulischen und beruflichen Umfeld von Radikalisierung Betroffener junger Menschen werden Beratung und Unterstützung finden. „Ich möchte an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, dass neo-salafistische Radikalisierung weder ein rein religiöses noch integrationspolitisches Problem ist", sagte Cornelia Rundt, „sondern ein äußerst ernst zu nehmendes gesellschaftliches Phänomen darstellt, von dem besonders junge Männer betroffen sind."

Der Verein wird nun schnell den Aufbau einer Geschäftsstelle und die Einstellung der Beraterinnen und Berater vorantreiben. In einem ersten Beschluss entschied der Vereinsvorstand, bereits an diesem Samstag eine Stellenanzeige zu schalten. Außerdem wurde die Freischaltung einer Telefon-Hotline zur Erstberatung von Rat und Hilfe suchenden Menschen bekannt gegeben. Unter der hannoverschen Rufnummer
0511 - 700 520 40 erreichen Ratsuchende werktags von 9.00 bis 15.00 Uhr qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die mit dem Anrufer über die Situation sprechen, erste Hinweise geben und den Kontakt zu Beraterinnen und Beratern - für Niedersachsen künftig auch zu „beRATen" - herstellen. Hierüber können auch erste Gespräche auf Türkisch, Arabisch und Russisch vermittelt werden.

Pegida will Herr im Hause sein

Die abendlichen Kundgebungen dienen indessen nicht der Solidarität, sondern der Abgrenzung von "fremden Konflikten". Anstoß für die Aktionen "gegen Islamisierung" sei eine Demonstration von PKK-Anhängern in Dresden gewesen, gab Initiator Lutz Bachmann zu Protokoll. Dass diese im Mittleren Osten gegen Islamisten kämpft, spielte für ihn keine Rolle. Bei Pegida heißt es schlicht: Keine "Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden". Pegida geht es nicht um analytische Präzision, vielmehr appelliert man an das "Herr-im-Haus-Gefühl".

Spiegel online, 12. Dezember 2014

Zentralrat der Juden nimmt Muslime in Schutz

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, warnt davor, die islamfeindliche Pegida-Bewegung zu unterschätzen. Und nimmt zugleich die Muslime in Deutschland in Schutz.

Die Welt, 20. Dezember 2014

Churchill faszniert vom Islam

Winston Churchill war vom Islam fasziniert. So sehr, dass seine Familie fürchtete, er würde konvertieren. Das geht aus einem jetzt entdeckten Brief hervor.

Spiegel online, 28. Dezember 2014


Reformation ohne muslimischen Luther
Der Islam braucht eine Reformation. Das ist kein Ruf nach einem muslimischen Luther, sehr wohl aber nach einer Auseinandersetzung darüber, wie wir unsere Religion interpretieren. Wie aber können wir diese Auseinandersetzung so führen, dass sie auch von der muslimischen Gemeinschaft getragen und akzeptiert wird?
Jeder reformatorische Ansatz muss zunächst damit umgehen, dass der Koran im Islam als wortwörtliche Offenbarung Gottes an den Propheten Mohammed gilt.

Die Zeit, 1. Januar 2015

Koran keine Tötungslizenz

Jene, die der fundamentalistischen Auslegung der Koransuren zur Gewalt entgegentreten, berufen sich auf ganz andere Suren, etwa Koran 5:32: „Wenn jemand einen Menschen tötet, der keinen anderen getötet, auch sonst kein Unheil auf Erden gestiftet hat, so ist‘s, als töte er die Menschen allesamt.“ Die Behauptung, der Koran sei in seiner Gesamtheit ein Werk, das zu Gewalt aufruft und dem Gewalt inhärent ist, trifft nicht zu. Jeder liest heraus, was er will.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Januar 2015

Klare Worte von der Bundeskanzlerin

Und es geht weiter: "Der Islam gehört zu Deutschland", für diesen Satz hat Ex-Bundespräsident Christian Wulff auch aus CDU-Kreisen vor gut vier Jahren viel politische Prügel bezogen. Angela Merkel hat ihn damals unterstützt und auch diesen in konservativen Kreisen umstrittenen Satz schon mehrfach so gesagt. Nun wiederholt sie ihn in der aufgeheizten Diskussion um Pegida - und riskiert damit, bei etlichen Wählern auf Unverständnis zu stoßen.

Spiegel online, 12. Januar 2015

Nur Mekka-Koran zeitlos

Taha hatte es gewagt, in seinem Werk "Die zweite Botschaft des Islam" einen Teil des Korantextes zu kritisieren. Seines Erachtens gilt nur der in Mekka 610 bis 622 offenbarte Koran als zeitlos, weil er universal sinnstiftende Lehren im ethischen Sinne beinhaltet. Die von Muhammad als Staatsmann einer irdischen Gemeinde in Medina 622 bis 632 verkündeten Koranstellen seien hingegen nur im historischen Kontext zu begreifen. Indirekt thematisierte er so auch eines der Tabuthemen des innerislamischen Diskurses, nämlich das Phänomen der Gewalt in der Gemeinde des Propheten, das bis heute Extremisten als Legitimationsgrundlage dient.

Süddeutsche Zeitung, 20. Januar 2015